Zeitlupe
Akademischer Nachwuchs trotz Faschismus

Trotz der repressiven Italianisierungspolitik und der Schließung vieler deutschsprachiger Schulen fanden kirchliche Einrichtungen Wege, den akademischen Nachwuchs zu fördern und zu unterstützen.
Unter der faschistischen Herrschaft Benito Mussolinis ab 1922 begann eine intensive Italianisierungspolitik, die darauf abzielte, die deutsche und ladinische Kultur in Südtirol zu unterdrücken. Eine der ersten Maßnahmen war die Schließung der deutschsprachigen Schulen und die Einführung des italienischen Unterrichts. Auch viele Klosterschulen, die traditionell deutschsprachig waren, wurden gezwungen, auf Italienisch zu unterrichten oder wurden geschlossen.
Es ist ein Verdienst der Kirche, dass Südtirol trotzdem einen bescheidenen Akademikernachwuchs, ausschließlich Männer, erhielt. Dank der Lateranverträge im Jahr 1929 zwischen der Kirche und Mussolini durfte unter anderem nicht nur der Religionsunterricht weiterhin in Deutsch abgehalten werden. Laut Artikel 39 wurde den kirchlichen Seminaren die Unabhängigkeit von den staatlichen Schulbehörden garantiert. Damit verloren viele kirchliche Schulen ihr Öffentlichkeitsrecht und die Staatsprüfungen mussten in italienischer Sprache durchgeführt werden (die Durchfallsquoten waren hoch), die Unterrichtssprache war aber Deutsch mit angehängten Italienischstunden, um eben auf die staatlichen Prüfungen vorzubereiten.
Nach außen hin waren sie dazu bestimmt, den Priesternachwuchs heranzubilden. Die Knabenseminare des Joanneums in Dorf Tirol und des Vinzentinums in Brixen sowie die Mittelschulen der Franziskaner in Bozen (fünf Klassen) und der Augustiner Chorherren in Neustift/Brixen (drei Klassen) nahmen jeden Studenten auf, auch wenn er nicht Priester werden wollte. Die Kirche ging noch einen Schritt weiter und vergab, sofern die sozialen Bedingungen der Familien dies rechtfertigten, Stipendien aus den Fonds der Diözesen zur Förderung des Priesternachwuchses. Somit subventionierte die Kirche den intellektuellen Nachwuchs im Allgemeinen.
Quellen:
- Rainer Seberich: „Südtiroler Schulgeschichte. Muttersprachlicher Unterricht unter fremden Gesetz.“ Edition Raetia, 2000, S. 80f.
- Gottfried Solderer (Hrsg.): „Das 20. Jahrhundert in Südtirol. Faschistenbeil und Hakenkreuz, Band II 1920-1939“. Edition Raetia, 2000, S. 80.