Alltagsintegrierte sprachliche Bildung im Kindergarten

Das Kind ist der Kompass

Montag, 1.2.2021
Kind am Basteln mit Buchstaben

Im Kindergartensprengel Bozen findet seit mehreren Jahren eine intensive Auseinandersetzung über „Sprachliche Bildung“ statt. Die sprachliche Vielfalt, die uns im pädagogischen Alltag begegnet, bestätigt die Tatsache, dass Mehrsprachigkeit weltweit zunimmt. Schätzungen zufolge wächst mehr als die Hälfte aller Kinder inzwischen zwei- oder mehrsprachig auf. Dem Dialekt ist im Kindergarten besondere Bedeutsamkeit beizumessen.

In vertrauensvollen Beziehungen erproben Kinder Sprachen gern

Damit die alltägliche Kommunikation mit den Kindern für die sprachliche Bildung genutzt werden kann, ist es wichtig, eine gute Beziehung zum Kind aufzubauen. Eine grundlegende Voraussetzung dafür ist es, das Kind so anzunehmen, wie es ist und seine sprachlich-kommunikativen Fähigkeiten wahrzunehmen, anzuerkennen und wertzuschätzen. Diese Fähigkeiten schließen alle Formen von Kommunikation mit ein und beziehen sich nicht ausschließlich auf die gesprochene Sprache, sondern auch auf die nonverbale Kommunikation, die als Vorläuferfähigkeit für den Spracherwerb und als Unterstützung der eigenen Kommunikation mit dem Kind genutzt werden kann. Gestik, Mimik und Stimme unterstützen die Bedeutung von Gesprochenem, lassen Rückschlüsse auf das Sprachverständnis ziehen und unterstützen die Gestaltung der Beziehungen zu den Kindern, besonders zu jenen, die selbst noch über keine aktiv gesprochene Sprache verfügen und am Anfang des Spracherwerbs in der Erstsprache stehen.

Tägliche Aktivitäten im Kindergarten wie Gartenaufenthalt, Mittagstisch und Übergangssituationen sind wertvolle
pädagogische Momente, um mit den Kindern die sprachliche Bildung zu pflegen. Foto: Kindergarten Gries

Die pädagogischen Fachkräfte versprachlichen ihr Tun in der Interaktion mit den Kindern im Alltag. Sie treten in entwicklungsangemessener Weise mit den Kindern in Kontakt, beschreiben Handlungen, geben Gefühlen einen Namen, übersetzen, interpretieren und wiederholen kindliche Sprachversuche korrekt artikuliert, schaffen vielfältige Sprachanlässe, sorgen für eine sprachanregende Gestaltung der Lernumgebung und nutzen die vertrauensvolle Beziehung zum Kind, um es einzuladen, selbst Sprache(n) zu erproben und deren Wirksamkeit zu erfahren.

Rituale geben beim Erlernen von Sprachen Halt

Tägliche Aktivitäten, wie Gartenaufenthalt, Mittagstisch und Übergangssituationen, werden im Kindergarten genauso als pädagogische Momente für die sprachliche Bildung erkannt und gepflegt, wie spezifische Lernmomente und gezielt geplante Aktivitäten. Mehrsprachige Kinder profitieren besonders davon, wenn sich im Alltag immer wieder Sprach-Rituale finden. So können sie sich in einer für sie verbal noch nicht erschließbaren Umgebung gut zurechtfinden. Lieder, Verse, Reime und Bilderbücher, deren Inhalte Wiederholungen bieten, geben den Kindern Sicherheit und Zeit, sich Inhalte in ihrem individuellen Rhythmus anzueignen.

Die sprachliche Entwicklung aller Kinder wird unterstützt, indem die pädagogischen Fachkräfte eine offene Haltung gegenüber allen Sprachen und Kulturen (vor-)leben.

Die Mädchen und Buben erweitern so nicht nur ihre sprachlichen Kenntnisse, sondern sammeln auch erste lustvolle Erfahrungen mit der Lese-, Erzähl- und Schriftsprachkultur. Gemeinsam Bilderbücher anschauen, Geschichten erzählen und regelmäßige Sprachanlässe schaffen, ermöglichen es dem Kind, seinen Wortschatz auszubauen und zu differenzieren.

Den komplexen Prozess des Spracherwerbs achtsam beobachten

Hinsichtlich der Wortschatzentwicklung zeigen Untersuchungen auf, dass Kinder einen größeren Wortschatz aufweisen, wenn die pädagogischen Fachkräfte feinfühlig und individuell auf Interessen und Themen der Kinder eingehen. Kinder zeigen besonders dann Interesse und Konzentration, wenn sie im Dialog ihren inneren Fragen und Themen folgen können. Die achtsame kindzentrierte Beobachtung ist dabei der Schlüssel, der die Tür zur kindlichen Welt öffnet und den komplexen Spracherwerb des Kindes verstehen lässt. Die sprachliche Entwicklung aller Kinder wird unterstützt, indem die pädagogischen Fachkräfte eine offene Haltung gegenüber allen Sprachen und Kulturen (vor-)leben. Eine explizite und respektvolle Anerkennung aller Sprachen und Familienkulturen führt dazu, dass sich jedes Mädchen, jeder Junge im Kindergarten willkommen und angenommen fühlt und weckt gleichzeitig auch das Interesse und die Lust der Kinder, Neues kennenzulernen. Neben all diesen wichtigen Bausteinen, die den Zwei- und Mehrsprachenerwerb unterstützen, ist und bleibt das Kind selbst Akteur seiner eigenen Bildung. Es eignet sich die Welt und die Sprache in einem selbsttätigen Prozess an. Die pädagogischen Fachkräfte unterstützen und begleiten das Kind. Sie schaffen im Kindergarten ein sprachanregendes Umfeld und bieten Initiativen an, die Bildungsprozesse in Gang setzen. Lernen kann das Kind schlussendlich aber nur von selbst. Wir dürfen nicht vergessen, dass der aktive Spracherwerb und Sprachaufbau in den Erst- und Familiensprache(n) Zeit braucht. Der Kindergarten trägt dafür Sorge, das Kind darin aktiv zu unterstützen, es zur Hochsprache hinzuführen und Zwei- und Mehrsprachigkeit von Kindern zu achten und bewusst zu begleiten. Er trägt dafür Sorge, dass das Kind Gelegenheiten bekommt, Sprache zu verstehen, sich auszudrücken und damit an der Gemeinschaft teilzuhaben. Das individuelle Lern- und Entwicklungstempo des Kindes, sein positives Selbstkonzept, seine Neugier und sein Lerninteresse sind der Kompass, den die pädagogischen Fachkräfte alltagsintegriert nutzen, um die sprachliche Bildung des Kindes erfolgreich zu begleiten und zu unterstützen.

Literatur

• Ritterfeld, Ute / Lüke, Carina (2011): Mehrsprachenkontexte. Erfassung der Inputbedingungen von mehrsprachig aufwachsenden Kindern. Verfügbar unter: http://www.sk.tu-dortmund.de/media/ other/Mehrsprachen-Kontexte.pdf (Stand 08.01.2021).

• Hofbauer, Christiane (2018): Sprachen und Kulturen im Kita-Alltag. 1. Auflage. Herder.

Evelyn Haller und Jutta Kröss Projektbegleiterinnen im Kindergartensprengel Bozen

Alltagsintegrierte sprachliche Bildung im Kindergarten

Publikationsreihe „Roter Faden“ für den Unterricht stößt auf Interesse

Montag, 27.10.2025

Die Pädagogische Abteilung der Deutschen Bildungsdirektion präsentierte auf der Didacta Italia in einem Workshop ihr Konzept für vernetztes Lernen. Auf der Didacta Italia – Edizione Trentino, die vom 22. bis 24. Oktober in Riva del Garda stattfand, waren Mitarbeiterinnen der Pädagogischen Abteilung der Deutschen Bildungsdirektion mit einem eigenen Workshop vertreten. Im Mittelpunkt: die Publikationsreihe „Roter …

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„Schülerinnen und Schüler ans Steuer lassen“ 

Mittwoch, 22.10.2025

Die Erziehungswissenschaftlerin Gabriele Weigand plädiert für eine Schule, die jedes Kind als Person in den Blick nimmt – jenseits von Etiketten wie „schwach“ oder „hochbegabt“. In Brixen leitete sie gemeinsam mit ihren Mitarbeitenden Mirjam Maier-Röseler und Katharina Weiand eine Fortbildung zur inklusiven Begabungsförderung. Im Interview erklärt sie, wie Kinder ihre Fähigkeiten entfalten können, welche Kultur Schulleitungen stiften sollten und warum gute Förderung immer auf Beobachtung und Vertrauen basiert.

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Lernwelten

  • So vielfältig wie der Mais
    Beim traditionellen Erntedankfest am Waltherplatz am Samstag, 11. Oktober 2025, präsentierte sich die Fachschule für Hauswirtschaft und Ernährung Haslach mit einem farbenfrohen Stand in kräftigem Magenta. Fachlehrerinnen der Schule informierten zahlreiche Besucherinnen und Besucher über die vielseitige Kulturpflanze Mais.
  • Großer Erfolg für Nathan Chizzali  
    Aus einem Feld von 15.000 Talenten schaffte es Nathan Chizzali (5ia, TFO „Max Valier“, Bozen) ins Finale der Nationalen Informatik-Olympiade 2025 in Udine. Nach starkem Wettbewerb verfehlte er knapp eine Medaille und wurde mit einer „Menzione d’Onore“ geehrt. 
  • Ötzi und Neandertaler als Brückenbauer: Erasmus+ verbindet Südtirol und Neanderland
    Zwei berufsbildende Schulen aus Südtirol und Nordrhein-Westfalen vernetzen Jugendliche im Erasmus+ Projekt rund um Ötzi und den Neandertaler – mit Austausch, Museumspartnerschaften und einem Projekt für 2026. 
  • Zusammenhalt, Kommunikation und gegenseitige Unterstützung
    Die erlebnispädagogischen Tage der ersten Klassen der Fachschule Laimburg legen den Grundstein für ein erfolgreiches Schuljahr.
  • Glaziologiecamp am Stilfser Joch: Lernen am Gletscher
    Oberschülerinnen und Oberschüler vertiefen im Nationalpark Stilfser Joch Landschaftsformen und Lebensräume im Hochgebirge. Eine Initiative der Pädagogischen Abteilung der Deutschen Bildungsdirektion.
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