Bildung & Schulführung

Wie viel Zukunft passt in zwei Kongresstage?

Donnerstag, 11.12.2025

Schulführungskräfte aus Südtirol reisten Ende November zum Deutschen Schulleitungskongress nach Düsseldorf. Was sie dort fanden? Ein dichtes Programm, starke Stimmen und die spürbare Lust, Bildung neu zu denken – verbunden mit Impulsen, die sich in den Alltag übersetzen lassen. 

Freitagmorgen, Ende November, im Foyer des Congress Centers Düsseldorf. Das Surren der Rollkoffer mischt sich mit Stimmen, die zwischen Kaffeeinseln und Stage-Eingängen eine gemeinsame Frage tragen: Wie führen wir Schule heute – und morgen? Auf den Displays überall das Logo des Deutschen Schulleitungskongresses (DSLK), darunter das Versprechen, Deutschlands größte Veranstaltung für schulische Führungskräfte zu sein: rund 3.000 Teilnehmende, über 100 Speaker und innovative Formate. Die Größenordnung ist beim DSLK kein bloßer Effekt. Im Gegenteil, sie gibt den Ton an: Austausch, Vernetzung, Praxisnähe und Impulse, die Bildung voranbringen sollen. Und mittendrin: fünf Schulführungskräfte aus Südtirol – Michaela Dorfmann, Stephan Oberrauch und Eva Tessadri von der Unterstufe sowie Verena Rinner und David Augscheller von der Oberstufe.

Ein Auftakt, der Haltung zeigt

Der Auftakt des DSLK an diesem Freitagmorgen war zugleich Programm: Dorothee Feller, Schulministerin von Nordrhein-Westfalen, begrüßte die Teilnehmenden; Bärbel Schäfer moderierte – professionell, ruhig, mit jenem Gespür für das Tempo, das einen Kongresstag trägt. Dann nahm Marina Weisband, Psychologin, Demokratie-Aktivistin und Geschäftsführerin der gemeinnützigen aula GmbH, die Hauptbühne ein: „Lernen, Mitbestimmen, Verändern“ – eine Keynote über demokratische Schulentwicklung, Selbstwirksamkeit und die Haltung, die Schule als Erfahrungsraum von Verantwortung denkt. Es war die Art von Rede, die einen Saal still macht, bevor der Applaus lange nachhallt. 

„Es ist die Schule, welche eine Gesellschaft entscheidend mitprägt. Es genügt daher nicht, den bequemen Weg zu wählen und demokratische Werte nur aufzuzeigen – sie müssen (vor)gelebt, eingeübt und konsequent verteidigt werden.“  (David Augscheller)

David Augscheller, Schulführungskraft am Realgymnasium „Albert Einstein“ und der Technologischen Fachoberschule „Oskar von Miller“ in Meran, fasst den Plenarvortrag so zusammen: „Angesichts der weltweiten Demokratiekrise muss Schule Schülerinnen und Schüler befähigen, kritisch zu denken, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen und aktiv mitzugestalten.“ Zugleich gelte es, eine antirassistische und inklusive Schulgemeinschaft zu schaffen, in der Vielfalt wertgeschätzt und diskriminierende Strukturen abgebaut werden, betont Augscheller und unterstreicht: „Es ist die Schule, welche eine Gesellschaft entscheidend mitprägt. Es genügt daher nicht, den bequemen Weg zu wählen und demokratische Werte nur aufzuzeigen – sie müssen (vor)gelebt, eingeübt und konsequent verteidigt werden.“ 

Auch Stephan Oberrauch, Schulführungskraft  am Schulsprengel Bruneck 2, fand den Plenarvortrag zur Demokratiebildung an Schulen „besonders bereichernd“: „Er verdeutlichte eindrucksvoll, wie gelebte Partizipation das Schulklima und die sozialen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler nachhaltig stärkt.“ Oberrauch erzählt, dass er zum zweiten Mal am DSLK teilnehme und erneut mit einer Vielzahl von Anregungen sowie neuen Impulsen an seine Schule zurückkehre. In diesem Jahr habe er auch an mehreren Vorträgen zum Thema Künstliche Intelligenz teilgenommen, denn: „Ich bin vom Potenzial der KI im Bereich der Individualisierung und Personalisierung von Lernprozessen überzeugt.“ 

Atmosphäre statt Schlagworte

Warum der DSLK als Schul-Summit unter einem Dach mit Schulträger- und Schulaufsichtskongress firmiert, zeigt sich schnell: Die Energie entsteht aus der Reibung der Perspektiven – Leitung, Verwaltung, Praxis, Wissenschaft – und aus Formaten, die nicht im Panel verharren, sondern die Übersetzung ins Handeln suchen. Genau dafür waren die vier diesjährigen Fachforen gebaut: Digitale Schule & KI, Startchancen-Programm, zeitgemäße Lernorte, Zukunftsforum Bildung. Jedes Forum zwang zur Fokussierung: Welche Entscheidung, welcher Prozess, welche Ressourcen sind morgen anders als gestern? 

Diese Fragen begleiteten auch die Südtiroler Schulführungskräfte durch zwei intensive Tage. 

Impulse aus den Foren

Der Kongress folgte einem klaren Rhythmus: Eröffnung, Keynote, Masterclasses, Pausen mit Fachausstellung oder Kaffee und Kuchen – Zeit zum Netzwerken, zum Austausch. Man wechselte zwischen großen Linien und kleinen, sofort anwendbaren Schritten. 

„Die Themen KI, Demokratiebildung und Zukunftskompetenzen sind jene, die die Bildungslandschaft Südtirols in den kommenden Jahren prägen werden und daher die Auseinandersetzung jeder Bildungseinrichtung erfordern.“ (Eva Tessadri)

Eva Tessadri, Schulführungskraft vom Schulsprengel Meran Obermais, schätzte das breite Spektrum an Speakern, Workshopleitern und Impulsen: „Die Themen KI, Demokratiebildung und Zukunftskompetenzen sind jene, die die Bildungslandschaft Südtirols in den kommenden Jahren prägen werden und daher die Auseinandersetzung jeder Bildungseinrichtung erfordern“, betont Tessadri. Adaptive KI-Modelle für individualisiertes Lernen sowie die Future-Workshops zeigten, wie Schule Kinder und Jugendliche auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereiten könne. Kurzum: „Der Kongress lieferte wertvolle Inputs, die man an die Schule vor Ort anpassen und umsetzen kann.“

Stimmen, die in Erinnerung bleiben

Neben Weisband waren es Publikumsmagnete wie Ranga Yogeshwar, renommierter Physiker und Wissenschaftsjournalist, der unter dem Titel „Emils Welt – Eine Gesellschaft im Wandel“ über Zukunft, Lernen und Mut zur Änderung sprach; Birgit Eickelmann, die als Leiterin der ICILS-Studien zur digitalen Bildung eindrücklich zeigte, wo digitale Kompetenzen stehen und was Schule realistisch tun kann; Karim Fereidooni, Professor für Didaktik an der Ruhr-Universität Bochum, der Rassismuskritik als Teil professioneller Schulkultur verankerte; Florence Brokowski-Shekete – sie ist die erste Schwarze Schulamtsdirektorin Deutschlands –, die „Safe Space“ nicht als Schlagwort, sondern als Führungsauftrag beschrieb. Diese und noch viele andere Namen waren nicht Dekoration, sondern Anker für Fragen, die Schulführungskräfte zuhause beschäftigen. 

„Besonders der Vortrag von Björn Adam – Gründer und Geschäftsführer von beWirken, Experte für Transformation und Organisationsentwicklung (Anm. d. Red.) – mit dem Titel ‚Die 800.000-Lehrkräfte-Falle‘ hat mir deutlich gemacht, wie wichtig es ist, Schule in einer sich wandelnden Welt proaktiv zu gestalten“, hält Verena Rinner, Schulführungskraft am Oberschulzentrum Schlanders, fest. Adams Bild von Schule als Ort gemeinsamer Verantwortung und Zusammenarbeit habe sie inspiriert: „Wenn Lehrkräfte über ihr Fach hinaus kooperieren und Lernende mehr Verantwortung übernehmen, können Lernarrangements entstehen, die weit über guten Unterricht hinausgehen“, sagt Rinner sichtlich beeindruckt vom Kongressgeschehen, an dem sie zum ersten Mal teilnahm.

„Bei allen technologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen bleibt die Beziehungsarbeit in der Schule das Fundament. Denn Transformation darf nicht nur strukturell gedacht werden, sondern muss immer auch die Menschen in den Mittelpunkt stellen.“ (Michaela Dorfmann)

Auch Michaela Dorfmann, Schulführungskraft vom Schulsprengel Meran Untermais, zog ein klares Fazit: „Beeindruckende Referierende, relevante Themen und inspirierende Gespräche haben gezeigt, wie vielfältig die Herausforderungen im Bildungsbereich sind.“ Trotz unterschiedlicher Schulsysteme kristallisierten sich gemeinsame Kernthemen heraus: die Gestaltung von Veränderungsprozessen, die wachsende Bedeutung von Demokratiebildung und die Frage, welche Kompetenzen junge Menschen für die Zukunft benötigten. „Aber bei allen technologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen – einschließlich der Chancen und Herausforderungen durch KI – bleibt die Beziehungsarbeit in der Schule das Fundament. Denn Transformation darf nicht nur strukturell gedacht werden, sondern muss immer auch die Menschen in den Mittelpunkt stellen“, betont Dorfmann, die diese Erkenntnis als Auftrag zurück nach Südtirol an ihre Schule mitnimmt. 

Warum sich die Reise gelohnt hat

Das Besondere am DSLK ist nicht nur die Fülle des Programms, sondern auch der Ton: zugewandt, klar, unprätentiös. Moderation, Programmführung und das Miteinander im Kongresshaus erzeugen einen Rhythmus, in dem Gespräche nachhallen und Vorträge nicht im Notizbuch versanden, sondern zu Vereinbarungen werden: Was tun wir jetzt? Was im kommenden Jahr? Und was braucht es, damit das nicht nur Einzelfall bleibt? Diese Fragen hörte man oft – und ihren Sinn versteht, wer den DSLK gesehen hat: Hier wird das große Wort „Schulentwicklung“ auf alltagstaugliche Schritte heruntergebrochen. 

Dass der DSLK-Schulpreis 2025 ‚Bildung für nachhaltige Entwicklung‘ an fünf Schulen verliehen wurde, die zeigen, wie ganzheitliche Bildungsansätze in der Praxis wirken, verstärkte das Gefühl der Umsetzungsmöglichkeiten. Denn: Inspiration ist gut, Anerkennung für gelebte Praxis besser – und genau das wurde hier zelebriert. 

Im Gepäck: Impulse und Ideen, die bewegen

Für die Südtiroler Schulführungskräfte war der DSLK mehr als ein Event: Er war Spiegel für die eigene Arbeit und Werkstattraum für den Transfer. Die Impulse aus Düsseldorf reichten von strategischen Fragen der Schulentwicklung über digitale Innovationen bis hin zu Ideen für mehr Kooperation und Verantwortung. Was alle verbindet, ist der Blick nach vorn – und die Bereitschaft, Konzepte in konkrete Schritte zu übersetzen. 

Und genau diese Haltung prägte den gesamten Kongress.

INFO Redaktion/eb

Service

  • Wie viel Zukunft passt in zwei Kongresstage?
    Schulführungskräfte aus Südtirol reisten Ende November zum Deutschen Schulleitungskongress nach Düsseldorf. Was sie dort fanden? Ein dichtes Programm, starke Stimmen und die spürbare Lust, Bildung neu zu denken – verbunden mit Impulsen, die sich in den Alltag übersetzen lassen.
  • Gut vorbereitet, fair vergütet – jetzt ins Verzeichnis eintragen
    Noch bis 19. Dezember können sich Lehrpersonen für den Vorsitz einer Maturakommission ins Verzeichnis eintragen. Die Eintragung ist unkompliziert, Schulungen zur Ausübung der Funktion sind vorgesehen und die Vergütung wurde seit vergangenem Schuljahr deutlich erhöht.
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