Sprachliche Bildung ist ein Auftrag an alle

Sprachbewusst unterrichten

Montag, 1.2.2021

Erfolgreiches fachliches Lernen ist stark von sprachlichen Kompetenzen abhängig: Nur wer die im Fachunterricht vermittelten Informationen versteht und nur wer fähig ist, über fachliche Inhalte zu kommunizieren und so sein fachliches Verständnis anderen mitzuteilen, kommt im fachlichen Lernen voran. Verschiedene Studien weisen jedoch darauf hin, dass ein erheblicher Teil der Jugendlichen in den deutschsprachigen Ländern nicht über die notwendigen sprachlichen Fähigkeiten verfügt, um am gesellschaftlichen Leben und schulischen Lernen teilhaben zu können.

Sprachbewusster (Fach-) Unterricht – Sprache als Lernmedium nutzbar machen

Die Teilhabe an schulischer Bildung ist eingeschränkt, wenn Schüler und Schülerinnen Sprache nicht als Werkzeug für ihr fachliches Lernen und Denken genügend versiert nutzen können. Dies geschieht dann, wenn für das Lernen (in allen Fächern) höhere sprachliche Kompetenzen gefordert werden, als sie bei den Lernenden vorhanden sind.

Das Konzept von sprachbewusstem Unterricht will Spracharbeit als integrativen Bestandteil der fachbezogenen Förderung definieren.

Die Forderung, Sprache in allen Fächern zu fördern, liegt zwar nahe, die Umsetzung dieser Forderung ist jedoch insbesondere für die Mittel- und Oberschule aufgrund ihrer Strukturen nicht trivial: Fachlehrpersonen der Sekundarstufe I sind nicht als Sprachlehrpersonen ausgebildet und verstehen sich auch nicht als solche. Hinzu kommt, dass es in den Sachfächern vor allem darum geht, die in den Fachcurricula der einzelnen Schulen und in den Lehrmitteln aufgeführten umfangreichen fachlichen Kompetenzen zu fördern, für zusätzliche Sprachbildungsarbeit bleibt da wenig Zeit. Kurz: So lange Sprachbildung als Addendum zum fachlichen Lernen empfunden wird, ist die Umsetzung der genannten Forderung kaum realistisch.

Das Konzept von sprachbewusstem Unterricht will Spracharbeit als integrativen Bestandteil der fachbezogenen Förderung definieren: Es geht in den Sachfächern nicht darum, allgemeine Sprachkompetenzen zu fördern, sondern die fachbezogenen. Jedes Fach pflegt aufgrund seiner Inhalte seine spezifischen Sprachpraktiken: In Biologie geht es beispielsweise bei der Bearbeitung eines Sachtextes darum, Informationen zu Strukturen, Prozessen oder Funktionen zu gewinnen, in Geschichte hingegen müssen Informationen aus verschiedenen Quellen und Textarten miteinander verglichen und kritisch mit Bezug zum Textkontext (z. B. Autorinteresse, Entstehungszeit) eingeordnet und hinterfragt werden, und in Mathematik muss das mathematische Problem erkannt werden. Diese unterschiedlichen Leseziele erfordern auch unterschiedliche, eben fachspezifische Lesestrategien, die Teil der Fachkompetenz und damit im Fach auszubilden sind.

Lernprozess in Schritten strukturieren

Das Konzept eines sprachbewussten Fachunterrichts will neben den fachspezifischen Sprachkompetenzen auch sprachdidaktische Maßnahmen in den Fächern in den Blick nehmen: Lernende müssen in jedem Unterricht sprachdidaktisch unterstützt werden, indem sprachbedingte Lernprozesse so kleinschrittig wie nötig strukturiert werden: Dies gilt beispielsweise für das Strukturieren eines Leseprozesses in vier Schritte, wie es im Roten Faden für den Deutschunterricht vorgeschlagen wird. Ziel dieser Maßnahmen ist es einerseits, die vorausgesetzten Sprachhandlungen explizit und damit lernbar zu machen, andererseits aber auch das fachliche Lernen allen zu ermöglichen.

Mit dem Konzept eines sprachbewussten Fachunterrichts wird Sprache als Lernvoraussetzung und Lernmedium für ein vertieftes fachliches Lernen gesehen, dessen Gebrauch eine fachkundige Lehrperson anleiten und begleiten muss.

Denn die Lernenden müssen sich im Fachunterricht zum Teil mit komplexen Inhalten auseinandersetzen. Dies hat auch Auswirkungen auf die sprachlichen Formulierungen: Je komplexer die Inhalte, desto komplexer auch die Sprache. Um diese komplexe (Fach-)Sprache als Lernmedium nutzen zu können, sind nicht nur sprachschwache Lernende auf die sprachbewusste Unterstützung durch eine Lehrperson angewiesen. Mit dem Konzept eines sprachbewussten Fachunterrichts wird Sprache einerseits als Lernvoraussetzung und Lernmedium für ein vertieftes fachliches Lernen gesehen, dessen Gebrauch eine fachkundige Lehrperson anleiten und begleiten muss. Andererseits fördert ein bewusster Umgang mit Sprache (auch) im Fachunterricht die Sprachkompetenzen der Schülerinnen und Schüler. Das Konzept unterscheidet dabei drei Perspektiven:

• Lehrtexte müssen mit Blick auf die Vorwissensbestände der Schüler und Schülerinnen so einfach wie möglich, aber zugleich auch fach- und gegenstandsgerecht, das heißt durchaus auch sprachlich anspruchsvoll formuliert sein. Mit anderen Worten: Die Fachtexte dürfen nicht „ent-fachsprachlicht“ oder gar simplifiziert werden, denn nur wer mit Fachsprache in Kontakt kommt, kann auch die fachlichen Konzepte und die dazu gehörende Sprache erlernen.

• Schüler und Schülerinnen müssen die für das Verstehen von mündlichen und schriftlichen Texten eines Fachs nötigen fachspezifischen Lese- und Sprachstrategien im Fach selbst vermittelt bekommen. Das gilt auch für eine fachlich angemessene Sprechweise und für fachliches Schreiben. Nur so können sie auch fachspezifische Sprachkompetenzen erwerben.

• Lehrpersonen müssen die Schüler und Schülerinnen mithilfe fachspezifischer sprachdidaktischer Maßnahmen bei der Überwindung sprachlicher Lernhürden unterstützen. Komplexe Sprachhandlungsprozesse müssen verbal explizit strukturiert werden, indem beispielsweise die Sprachhandlungen in Teilschritte zerlegt und schrittweise angeleitet sind. So wird Sprachhandeln auch im Fachunterricht zum Lernobjekt. Der Aufbau der fachsprachlichen Kompetenzen kann entsprechend horizontal-fachübergreifend und vertikalcurricular durchgängig strukturiert werden. Diese drei Perspektiven des sprachbewussten Fachunterrichts weisen darauf hin, dass die Umsetzung nicht nur dem Unterricht selbst, das heißt den Lehrpersonen übertragen werden kann. Es sind alle Ebenen des Bildungssystems gefordert. So braucht es Lehrmittel, die die Lehrpersonen beim sprachbewussten Unterricht unterstützen. Die Fachcurricula müssen auf das Wesentliche fokussiert sein und der Aufbau fachspezifischer Sprachstrategien muss spiralcurricular und über die Fächer hinweg kohärent modelliert sein. Zudem müssen alle Lehrpersonen in der Grund- und Weiterbildung mit Blick auf einen sprachbewussten Fachunterricht ausgebildet werden. Und schließlich müssen Schulen für die schulinterne kohärente Strukturierung von Sprachbildung sowie eines sprachbewussten Fachunterrichts über die Stufen und Fachgrenzen hinweg Sorge tragen.

Literatur

• Lindauer, Thomas/Schmellentin, Claudia/ Beerenwinkel, Anne/Hefti, Claudia/Furger, Julienne (2013): Fachlernen und Sprache: Sprachbewusst unterrichten – Eine Unterrichtshilfe für den Fachunterricht. Bildungsraum Nordwestschweiz. [PDF-Download]

• Roter Faden im Deutschunterricht von Klasse 2 bis 10 https://www.blikk.it/bildung/unterricht/ deutsch/news

Alle Lehrpersonen können sich die OnlineVersion über LaSis hier freischalten lassen: https://provbz.sharepoint.com/sites/
datashare/roter_Faden_Deutschunterrich

Claudia Schmellentin und Thomas Lindauer Professorin und Professor für Linguistik und Deutschdidaktik an der Pädagogischen Hochschule Nordwestschweiz

Sprachliche Bildung ist ein Auftrag an alle

„Il dono di Giglia – Giglias Gabe“: Ein Preis für Mut, Haltung und Menschlichkeit

Mittwoch, 17.12.2025

Die Stiftung „The Penguin“ ehrte vier Südtiroler Schülerinnen und Schüler, die in entscheidenden Momenten Verantwortung übernehmen und zeigen, wie Empathie und Mut den Alltag menschlicher machen. Die Preisverleihung fand an den Oberschulen „J. Ph. Fallmerayer“ in Brixen statt.  Es sind oft die kleinen Gesten, die die Richtung vorgeben: ein Griff zum Verbandskasten, ein offenes Ohr, …

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