Leidenschaft und Vielfalt an den Musikschulen
„Adventstöne“: Südtirols Musikschulen bringen den Dezember zum Klingen

Ein musikalischer Adventskalender für Südtirol: 24 Klangfarben von Volksmusik über Klassik bis Pop; von Chor, über Ensembles bis Solo – gestaltet von Südtirols Musikschulen und ausgestrahlt auf RAI Südtirol.
Es ist die frühe Stunde des Tages, wenn der Advent leise beginnt: Um 6:40 Uhr, während in vielen Küchen nur das Zischen der Kaffeemaschine zu hören ist, legt sich eine erste Melodie aus einer Südtiroler Musikschule über das Land.
Seit dem 1. Dezember öffnet sich jeden Morgen ein „Adventstöne“-Türchen im Hörfunk von RAI Südtirol. Jede dieser kleinen musikalischen Überraschungen stammt von Schülerinnen und Schülern der Musikschulen im ganzen Land. Über den Tag verteilt folgen Ausstrahlungen um 9:20 Uhr und um 16:40 Uhr – ein täglicher Rhythmus, der den Advent hörbar macht. Abends schließlich, nach der Tagesschau, feiert das jeweilige Musikvideo im Fernsehen Premiere. Anschließend wandert jedes musikalische Türchen in die RAI-Mediathek.
Die Grundidee ist so schlicht wie anspruchsvoll: Ein Adventskalender, der nicht nur den Dezember strukturiert, sondern zeigt, wie leise Musikschulen große Bühnen werden können. Die Landesmusikschuldirektion der Deutschen und ladinischen Musikschule begleitet das Projekt zusätzlich über ihre Social-Media-Kanäle.
Jung, ambitioniert und pädagogisch durchdacht
Die Reihe ist jung und hat hohe Ansprüche. Die erste Ausstrahlung der „Adventstöne“ erfolgte im Advent 2023 – eine Idee, die bereits im Herbst 2022 Gestalt annahm. Hinter den „Adventstönen“ steht aber mehr als eine schöne Adventsüberraschung: Schülerinnen und Schülern verschiedener Musikschulen sollen eine neue Bühne erhalten, auf der sie sich künstlerisch entfalten und gleichzeitig mit professioneller Ton- und Videoproduktion vertraut werden.

„Die Chance, zur besten Sendezeit landesweit aufzutreten, ist etwas Besonderes“, sagt Thomas Mahlknecht, Direktor der Musikschule Brixen und Gesamtleiter des Projekts. Eine Gelegenheit, die nicht nur die Motivation der Musikschülerinnen und Musikschüler steigert, sondern auch jene ihrer Lehrpersonen.
Organisation im Takt des Schuljahres
Die Produktion der „Adventstöne“ folgt dem Rhythmus eines Schuljahres und darüber hinaus. Die Vorlaufzeit beträgt rund eineinhalb Jahre. Erste Tonaufnahmen beginnen bereits im Dezember, die Videoaufzeichnungen starten Ende Januar oder Anfang Februar.
Drei Stunden Tonaufnahme pro Beitrag, dazu vier bis fünf Stunden Videoaufnahme sind vorgesehen – zusätzlich Proben, damit im Moment der Aufnahme die Musik und nicht die Nervosität dominiert, und die Schülerinnen und Schüler ihre bestmögliche Leistung zeigen können. Im Schnitt entstehen drei Videos pro Drehtag. Für die 24 musikalischen Türchen braucht es mindestens acht Drehtage pro Jahr, häufig an Fenstertagen oder Wochenenden.
Gedreht wird bevorzugt in den Musikschulen selbst, wo Instrumente und Ausstattung bereitstehen. Die Räume werden filmisch „gezähmt“, will heißen: Reflexionen verschwinden, störende Lichtpunkte und dominante Gegenstände ebenso. Alles, was die Kamera nicht braucht, wird notfalls mit schwarzem Gartenfließ unauffällig abgedeckt.

Ein mobiles Filmset und viel Engagement
Hinter der technischen Raffinesse steht ein kleines, hochkonzentriertes Team aus Lehrpersonen und Direktoren der Musikschulen: Diether Bonelli verantwortet die Tonaufnahme, unterstützt von den Tontechnikern Simon Lanz und Andrea Cozzo. Die Videoaufzeichnungen koordiniert wiederum Mahlknecht, der auch die Gesamtleitung innehat. Hinter der Kamera arbeitet Nathan Chizzali und Roland Gruber, assistiert von Ester Carturan und Johanna Mader.
Auch RAI Südtirol ist eingebunden: Zeno Braitenberg fungiert als Koordinator des öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Hörfunksenders. Von Seiten der Landesdirektion der Deutschen und ladinischen Musikschule wirkt Abteilungsdirektorin Alexandra Pedrotti mit.
Das Setting der Videoaufnahmen erinnert an ein kleines mobiles Studio: große Softboxen, LED-Spots, eine Kameraschiene, ein Gimbal für dynamische Nahaufnahmen, sogar ein ferngesteuertes Kamerafahrzeug – gelegentlich ergänzt durch eine Drohne. Es ist ein Set, das wenige Minuten Verdichtung ermöglicht und jene charakteristischen, atmosphärischen Bilder einfängt, die das Format prägen. Externe Hilfe kommt nur bei Rohaufnahmen für die Audiospuren und das Intro hinzu. Bis zum Schuljahresende ist das gesamte Material abgedreht; der Sommer gehört Schnitt und Postproduktion. Denn im November müssen alle Beiträge bei RAI Südtirol eingereicht sein.

Ein Adventsstrauß aus 24 Klangfarben
Erstmals haben in diesem Jahr alle Musikschuldirektionen des Landes einen Beitrag geliefert. Entstanden ist, wie Mahlknecht sagt, „ein bunter musikalischer Strauß“, der die Vielfalt der Musikschulen widerspiegelt – von Volksmusik über Klassik bis Pop, Jazz und internationale Weihnachtstitel.
Die Stückauswahl folgt einem einfachen Prinzip: Jede Musikschuldirektion nominiert einen musikalischen Favoriten, weitere musikalische Beiträge werden gemeinsam mit Landesmusikschuldirektorin Pedrotti und RAI-Koordinator Braitenberg so kuratiert, dass ein stilistisch und besetzungstechnisch breites Spektrum entsteht.

Dramaturgie mit Symbolkraft
Der musikalische Adventkalender folgt dabei keiner bloßen Zufälligkeit: Türchen 1 entzündet ein Licht: „Zünd a Liacht für di“. Am 6. Dezember steht der „Nikolausboarische“ im Zentrum. Später tauchen lokale Markierungen auf wie der „Toblacher Jodler Nr. 81“ oder das Volkslied „Es wird schon glei dumpa“. Daneben stehen klassische Bezugspunkte wie Edward Elgars „Salut d’Amour“, eine Bach-Anverwandlung unter dem Titel „Wohltemperierte Marimba“, aber auch internationale Weihnachtsklassiker wie „Winter Wonderland“, „Let it Snow“ und „War Is Over“. Leonhard Cohens „Hallelujah“ setzt einen Pop-Akzent, Jan Garbareks „Mole Canticle“ öffnet den Raum in Richtung Jazz und Contemporary. Türchen 24 bringt mit Max Weckers „Weihnacht“ – inklusive „Stille Nacht“ – den „Adventstönen“ in diesem Jahr einen ruhigen, gemeinsamen Schlussakkord.
Jedes Video ein eigener Zauber
Ein „Highlight-Türchen“ gebe es nicht, betont Mahlknecht. Vor Veröffentlichung der „Adventstöne“ trifft sich das Filmteam zu einem gemeinsamen Kinoabend und sieht alle Videobeiträge am Stück. Die Erkenntnis sei jedes Jahr dieselbe: Jedes Video habe seinen eigenen Zauber – mal durch Schlichtheit und Stimmung, mal durch künstlerischen Ausdruck oder filmische Einfälle.
Was bleibt? Und was kommt?
„Manchmal sind die Beiträge der „Adventstöne“ auch ein Abschied“, erzählt Mahlknecht. Immer wieder seien Jugendliche zu sehen, die zum Zeitpunkt der Ausstrahlung bereits nicht mehr an der Musikschule seien und ihren eigenen Weg weitergingen. Für die Organisatoren bleibt die Initiative dennoch ein „Herzensprojekt“, verbunden mit viel Arbeit, aber auch mit „Ausdruck, Freude und Spannung“. Wie es weitergeht? „Konkrete Pläne gibt es noch nicht“, sagt Mahlknecht. „Die Hoffnung ist, in zwei Jahren mit jenen Ideen fortzusetzen, die während der Dreharbeiten für diese Reihe entstanden sind.“
Vielleicht liegt der Zauber der „Adventstöne“ gerade darin, dass sie Südtirol für wenige Minuten stiller machen – und zugleich zeigen, wie laut eine kleine Bühne werden kann, wenn man sie ernst nimmt.
Wenn sich am 24. Dezember das letzte Türchen schließt, verstummen die „Adventstöne“ nicht. Sie bleiben – in den Köpfen, der Mediathek von RAI Südtirol, ab Jänner auf dem YouTube-Kanal der Landesdirektion Deutsche und ladinische Musikschule und dort, wo geübt wird, damit Musik wirklich wärmt.




