Aus Sicht der Bildungsforschung: Stellungnahme zur Debatte um die Einrichtung einer Sonderklasse

Mittwoch, 2.10.2024

Zwei Professorinnen der Freien Universität Bozen, Simone Seitz und Heidrun Demo, Direktorin und Vizedirektorin des Kompetenzzentrums für Inklusion im Bildungsbereich, haben eine Stellungnahme zur Debatte um die Entwicklung einer Sonderklasse aus Sicht der Bildungsforschung abgegeben.

Mit Erleichterung haben wir die Nachricht vernommen, dass es in Bozen keine Sonderklasse geben wird für Kinder und Jugendliche, denen von Seiten ihrer Schule geringe Deutschkenntnisse attestiert werden. Dies ist beruhigend, und zwar weder aus ideologischen noch aus politischen Gründen, sondern schlicht aus wissenschaftlicher Sicht. Ganz allgemein hat die Schule NICHT die Aufgabe, Kinder nach ihren vorab erworbenen Kompetenzen zu sortieren, sondern gerade umgekehrt, allen Kindern gleichermaßen Bildung und damit auch den Erwerb der so wichtigen sprachlichen Kompetenzen zu ermöglichen. Die anspruchsvolle Aufgabe der Schule ist es folglich, Kindern unterschiedlicher Lebenslagen und Vorerfahrungen in der Schulklasse als einer „Gemeinschaft der Verschiedenen“ den Erwerb von Wissen und die Entfaltung ihrer Persönlichkeit zu ermöglichen. Die Trennung von Kindern nach sozialen Kategorien wie Migrationserfahrungen ist daher fachlich gesehen widersinnig. Dass Kinder eine Sprache kaum lernen können, wenn sie hierfür systematisch ausgerechnet von den Kindern getrennt werden, die diese Sprache sprechen, ist nicht nur alltagslogisch gesehen klar, sondern wurde auch wissenschaftlich in vielen Studien gezeigt.

Dem internationalen Wissensstand folgend kann eindeutig gesagt werden, dass Sonderklassen dieser Art nicht effektiv sind, sondern sich lernhinderlich auswirken. In vielen Studien wurde gezeigt, dass den solcherart ausgesonderten Kindern mit systematisch abgesenkten Erwartungen begegnet wird und sich die Erfahrung von Marginalisierung und Segregation negativ auf die persönliche und soziale Entwicklung der Betroffenen auswirkt. Sonderklassen werden von den Kindern und Jugendlichen als Abwertung und Beschämung durch Erwachsene erlebt – sie sind demotivierend und bringen die Kinder und ihre Familien in Distanz zur Schule. Zudem lernen die in den „ausgelesenen“ Klassen verbleibenden Kinder auf diesem Weg, dass es legitim ist, Kinder aufgrund bestimmter sozialer Merkmale aus der Gruppe auszuschließen und sie zu benachteiligen –  eine höchst problematische pädagogische Botschaft einer Schule.

Bezogen auf den Unterricht ist seit langem klar, dass es keine homogenen Lerngruppen gibt und ein Unterricht, in dem alle Kinder zum gleichen Zeitpunkt auf exakt die gleiche Art zum gleichen Lernziel gebracht werden können, eine Illusion darstellt. Guter Unterricht, darüber besteht auch international Einigkeit, basiert auf der Idee der Heterogenität einer Lerngruppe. Offene Unterrichtsformen, in denen es normal ist, dass Kinder unterschiedlich lernen, sind daher weithin empfohlen, konzeptionell gut entwickelt und bieten viele Möglichkeiten der individuellen Förderung innerhalb der Gruppengemeinschaft. Lehrpersonen brauchen dafür Strukturen, die offene Unterrichtsformen unterstützen (z. B. flexible räumliche Anordnungen) und Zeit für die Planung und Reflektion im Team. Vor allem aber ist es wichtig, an Schulkulturen zu arbeiten. Ein Positivbeispiel ist die von uns wissenschaftlich begleitete Initiative „Wege in die Bildung 2030 – guter Unterricht in der inklusiven Schule“ an deutschsprachigen Schulen in der Provinz: über Fortbildung und Prozessbegleitung werden hier die schulinternen Entwicklungsprozesse zur Qualität des Bildungsangebots gestärkt. Dies zeigt, dass Qualitätsentwicklung Investitionen in die Aus- und Fortbildung des Personals erfordert – aber auch, dass es sich unbedingt lohnt.

Simone Seitz und Heidrun Demo, Direktorin und Vizedirektorin des Kompetenzzentrums für Inklusion im Bildungsbereich an der Freie Universität Bozen

Kindergartenkinder verschönern das Dorf

Montag, 15.9.2025

Der Kindergarten Eyrs versteht sich als ein Ort, an dem Gemeinschaft und soziales Miteinander gelernt, gelebt und auch über den Gartenzaun hinaus in das ganze Dorf getragen werden. Ganz im Sinne der offen gestalteten Pädagogik haben sich die Kindergartenkinder im Frühjahr deshalb aufgemacht, um ihr näheres Umfeld zu erkunden und dieses aktiv mitzugestalten.

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Futurum: Infos über Bildungs- und Berufswege an einem Ort

Mittwoch, 10.9.2025

Die 10. Südtiroler Bildungsmesse Futurum bietet aktuelle und umfassende Informationen zu Bildungs- und Berufswegen – von der Oberstufe über die Hochschulbildung bis hin zur allgemeinen und beruflichen Weiterbildung. Sie findet in Präsenz an der Messe Bozen von 8:30 bis 16:30 Uhr statt. Der Eintritt ist frei.

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Im Fokus

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  • Musik ist für alle da
    Alexandra Pedrotti ist Landesdirektorin der Deutschen und Ladinischen Musikschulen in Südtirol. Im Gespräch mit INFO zieht sie Bilanz über das vergangene Schuljahr – mit Themen wie musikalischer Frühförderung, wachsender Nachfrage, Digitalisierung, Inklusion und einem Herzensprojekt, das Grenzen sprengt.
  • „Unterstützte Kommunikation“ – Reden ohne Wörter!
    „Unterstützte Kommunikation“: alternative Möglichkeit für Menschen mit Kommunikationsbeeinträchtigungen sich zu verständigen.
  • „Unterstützte Kommunikation“: Es kann jedem Menschen passieren, dass er nicht (mehr) sprechen kann
    Raphael Donati bietet Workshops zu „Unterstützter Kommunikation“ an Schulen und Bildungshäusern an. Er leistet damit wertvolle Sensibilisierungsarbeit zum Thema Inklusion. INFO digital hat mit ihm über die Workshops gesprochen und erfahren, wie er als junger Mann ohne Lautsprache sein Leben meistert.
  • Wie funktioniert Bildung heute?
    Die achtteilige Filmreihe „Bildung real“ gibt lebendige und ehrliche Einblicke in Südtirols Bildungssystem.
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